Wir waren in Tigray auf dem Weg von Adigrat nach Gheralta unterwegs. Die Häuser sind fast alle aus Stein gebaut, die meisten davon noch mit den alten Dächern aus Steinplatten. Eine Holzkonstruktion hält die Steinplatten, welche sorgfältig mit Erde abgedeckt sind, damit das Ganze abgedichtet ist. Wir schauten uns zwei benachbarte Höfe genauer an - typisch Firew - aber hochinteressant.
Innenhof Vorratsbehälter
Die Ziegen werden auf dem Dach deponiert. Das hatten wir so noch nirgends zuvor gesehen.
Injera, das äthiopische Fladenbrot wird zubereitet Wir entdecken ein besonderes Kleinode
Die Familie besitzt ihre eigene handgeschriebene Bibel. Sie erzählten uns, dass sie vor etwa dreissig Jahren angefertigt wurde. Das feine Ziegenleder für die Buchseiten wurde von ihnen selbst angefertigt. Ein Priester hat sie ihnen dann in einem Jahr Arbeit per Hand geschrieben. Auch unsere Frage nach den Kosten wurde beantwortet - 30.000 Birr für das Schreiben - eine Menge Geld zu dieser Zeit für eine Bauernfamilie. So tief sind Äthiopier in ihrem Glauben verwurzelt - wir waren erneut beeindruckt.
Wir fuhren wenige Kilometer und stoppten erneut, um Frauen bei ihrem traditionellen Handwerk zuzuschauen.
Aus einer Mischung aus Kuhdung und der lokalen Erde werden die Deckel für die Zubereitung von Injera gefertigt - sie werden anschließend in der Sonne luftgetrocknet.
Kuhdung und Injera - war das die Ursache für unsere Probleme. Firew versicherte uns, dass alle Restaurants, die wir besuchten, Injera hygienisch einwandfrei mit Metallplatten zubereiten. Wir glaubten ihm aufs Wort.
Tigray ist bekannt für seine über 200 Felsenklöster. Sie entstanden zwischen dem 4. und 15. Jahrhundert. Teils wurden natürliche Höhlen genutzt und erweitert. Die meisten wurden jedoch direkt aus dem Sandstein herausgearbeitet. Wir besuchten als erstes die Mikael Milhaizengi Church, die zum Teka Tesfay Cluster südlich von Senkata gehört.
Diese winzige Kirche mit ihrer beiden nur 1.50 Meter hohen Türen ist in die Spitze eines kleinen, gebleichten Hügels gehauen und stammt vermutlich aus dem 8. Jahrhundert. Die Kirche ist 5,50 Meter breit, 7,60 Meter tief und ihre bemerkenswert verzierte Kuppel ist 3,00 Meter hoch. Die Verzierungen der Kuppel ähneln einem runden "Himbasha" (ein beliebtes Rundbrot der Bewohner von Tigray).
Eingang zur Mikael Milhaizengi Church
Die Gheralta Lodge, ein traumhaftes Plätzchen nahe der Stadt Hawzen, ist perfekt in die Landschaft integriert und in der typischen Steinbauweise der Region errichtet. Die Küche verrät ihre Eigentümer - lecker italienisch, aber auch traditionell äthiopisch wird gekocht.
Gheralta Lodge - im Hintergrund der Sandsteinfelsen, auf dem die Klöster Maryam Korkor und Aba Daniel in Stein gemeisselt wurden.
Gheralta ist mit seinen zum Himmel ragenden Bergen aus Sandstein eine ganz besonders reizvolle Landschaft. Einige der Klöster sind nur durch freies Klettern zu erreichen, während man sich bei anderen auf Seile verlassen muss. Das ist alles nichts für uns. Doch wollte auch ich den spektakulären Ausblick von einem der Gipfel geniessen. So hatten wir uns für den Besuch der Klöster Maryam Korkor und Aba Daniel entschieden.
Der Ausgangspunkt unserer Wanderung
Ein erstes Stück des Aufstiegs ist geschafft. Mit einer schweren Ladung Viehfutter kamen uns Einheimische über die Stufen in der Felsspalte entgegen, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt.
Fotostopp nach der zweiten Etappe des Aufstiegs - Zeit die herrliche Landschaft zu geniessen
Für die Mutigen, besser gesagt für geübte Bergsteiger, gibt es auf diesem frei stehenden Felsen bei Guh das Kloster Abune Yemata in den Klippen zu besichtigen. Es gibt nur Fusstritte und Handgriffe in der senkrechten Wand - mir wird schon angst und bange beim Anblick aus der Ferne.
Felsgebirge von Guh mit dem Kloster Abune Yemata
Das schwerste Stück des Aufstiegs hatten wir hinter uns. Eine Etappe lag noch vor uns. Rast mit unserem lokalen Guide und meinem persönlicher Helfer
Monastery Maryam Korkor
Geschafft! Nach zwei Stunden sind wir auf dem Bergplateau. Ok, die fitten Besucher brauchen natürlich nicht so lange. Die Kirche Mariam Korkor hat eine gemauerte, weiss gestrichene Westfassade. Sie ist eine der größten Felsenkirchen in Tigray - 9,40 x 17.00 Meter Grundfläche und 6.00 Meter hoch. Die Kirche ist mit Malereien aus dem alten und neuen Testament geschmückt.
Blick in die Hawzien Ebene - mein Antrieb, die ca. 1.000 Höhenmeter hinauf zu klettern
Auf schmalem Pfad entlang der Klippe geht es zur kleinen Kapelle Aba Daniel - meine Helfer passen auf mich auf
Aba Daniel ist eine kleine Kapelle mit nur zwei Räumen. Primitive Malereien schmücken den Vorraum.
Wir genossen noch einmal den atemberaubenden Blick in die Ebene, bevor wir uns endgültig an den Abstieg wagten.
Das war der harmlosere Teil. Es gibt auch zwei Passagen, die so steil sind, dass es nur auf dem Hinterteil sicher war, diese auf dem Weg nach unten zu passieren. Doch zusammen mit meinen beiden Helfern meisterten wir auch das.
Happy! Ich bin heil wieder unten. Herbert war bei dieser Tour nicht mit. Er hatte unten auf uns gewartet. Langweilig war es nach seiner Aussage nicht, denn er hatte sich trotz beidseitiger mangelhafter Englischkenntnisse prächtig mit den Einheimischen amüsiert. Als er uns hoch oben auf der Klippe vor dem Zugang zu Aba Daniel sah, meinte er nur, dass seine Frau wohl verrückt geworden sein muss.
Nach einer kurzen Verschnaufpause fuhren wir zurück zu Gheralta Lodge und ließen für den Rest des Tages die Seele baumeln.
Unsere nächste Tagesetappe führte uns mit vielen Stopps bis nach Mekelle - alles getreu unserem Reisemotto - beeindruckende Natur erleben, Äthiopiens reiche Kultur erfahren und mehr über seine uralte Geschichte lernen.
Traumhafte Landschaft in der Region Gheralta
Mit dem Einsatz von vielen Düngemitteln wird dem kargen Boden essbares abgerungen. Jedes Dorf hat mindestens eine eigene Kirche, stets auf einer Anhöhe erbaut.
Holzofen für die Zubereitung von Injera Korbflechterin
Tarantapapagei - Black-winged Lovebird (Agapornis taranta) - endemisch in Äthiopien und Eritrea
Wir waren auf dem Weg zur Abreha Atsbeha Church. Eine grosse Menschenmenge, alle in weiße Tücher gehüllt, beanspruchte unsere Aufmerksamkeit. Es war die Prozession zu einer Beerdigung. So traurig der Anlass auch war, stoppten wir und schauten den Gläubigen zu, wie sie sich von einem geliebten Menschen verabschiedeten.
Wir liessen die Trauergemeinde für ihre abschließende Segnung des Verstorbenen allein. Wie wir schon oft beobachtet hatten, sind Frauen und Männer in der Äthiopisch- Orthodoxen Kirche bei allen Zeremonien strikt getrennt. Firew erzählte uns, dass bei einer Beerdigung Frauen und Kinder nicht anwesend sein dürfen, wenn der Sarg der Mutter Erde übergeben wird.
Die Kirche von Abreha Atsbeha liegt 18 Kilometer westlich von Wukro und ist eine der ältesten und bekanntesten Felsenkirchen in Tigray.
Der örtlichen Überlieferung zufolge wurde diese Kirche zwischen 335 und 340 nach Christus von König Abreha (Enzana) und seinem Zwillingsbruder und Mitregenten König Atsbeha (Saizana) aus dem Berg gemeißelt. Der Anspruch der Kirche auf dieses Alter wird durch mehrere antike Artefakte im angrenzenden Museum verstärkt. Einige Archäologen meinen jedoch, dass die Kirche nicht vor dem 10. Jahrhundert gebaut wurde. Das Innere der Kirche ist sorgfältig dekoriert. Der Grundriss ist rechteckig, beträgt 16x13 Meter. Die Decke wird von 13 riesigen Pfeilern getragen. Geschmückt ist der Innenraum mit Malereien, die wohl im 17. Jahrhundert geschaffen wurden.
Abreha Atsbeha Monastery
Man muss sich bei diesen Bildern in Erinnerung rufen, dass ausgenommen des später angefügten Vorraums, diese Kirche nicht gebaut wurde, sondern aus einem festen Stück Fels heraus gearbeitet wurde. Der gesamte "offene Raum", den man hier sieht, wurde Stück für Stück abgetragen, um die Säulen, die Decke und die Wände dieser Kirche als ein einziges Stück zu hinterlassen. Abreha Atsbeha Church mit seiner sehr großen Gemeinde ist seit seiner Entstehung vor weit mehr als 1.000 Jahren ein lebendiger Ort des Glaubens.
links: Zugang zum Museum neben der Kirche
Als wir Kirche und Museum besichtigt hatten, kamen die Priester gerade von der Beisetzung zur Kirche zurück. Die Männer folgten ihnen. Die Frauen warteten unten am Kirchenhügel.
Unweit von Wukro, im 8 Kilometer entfernten Meqaber Ga’ewa, wurden jüngst Aufsehen erregende Funde gemacht, die aus äthio-sabäischer Zeit stammen und um 700 vor Christus zu datieren sind. Unter anderem wurden mehrere Architrave (Horizontalbalken), eine kopflose Frauenstatue, Sockel mit Inschriften und Weihrauch-Altäre gefunden. Das herausragendste Fundstück ist ein komplett erhaltenes Opferbecken mit einer sabäischen Inschrift, was bisher einmalig ist. Die Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts hat im Oktober 2008 vor Ort in Zusammenarbeit mit der Universität Jena Ausgrabungen aufgenommen und dabei geklärt, dass es sich eindeutig um einen Tempel für den altjemenitischen Gott Almaqah handelt. Es ist geplant, diese Ausgrabungen langfristig weiterzuführen.
Ausgrabungsstätte in Meqaber Ga'ewa bei Wukro: Tempel um 700 v. Chr.
Man muss sich keine Sorgen um die wertvollen Fundstücke machen. Die Originale sind sicher, in einem neu gebauten Museum in Wukro, ausgestellt - zusammen mit weiteren Fundstücken aus dem Osten von Tigray. An der Ausgrabungsstätte sind nur Kopien zu sehen.
Hemprichtoko - Hemprich's Hornbill (Tockus hemprichii) - endemic to NE Africa
Die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche lebt nach einem Kirchenkalender, der alle paar Wochen das christliche Hochland in einen freudigen Taumel versetzt. Unter all diesen christlichen Feiern sind zwei, die gibt es nur im ehemaligen Abessinien: Timkat und Meskel.
"Meskel" - Das Finden des wahren Kreuzes
Das Meskel-Fest findet alljährlich am 26./27. September zur Erinnerung an die Auffindung des Kreuzes Jesus durch die Heilige Helena (250-330 n. Chr.) statt. Es wird seit über 1.600 Jahren gefeiert und zählt zu den prächtigsten Festen in Äthiopien. Bereits Tage vor dem Meskel-Fest werden die "Demera", so nennt man die Holzhaufen, errichtet. Bei einer kirchlichen Zeremonie werden sie entzündet. Die Verbrennung basiert auf der Legende, dass Königin Helena, die Mutter Konstantins des Großen, auf einer Pilgerreise ein Feuer durch eine göttliche Eingebung entzündete. Der Rauch des Feuers zeigte ihr den Weg zum Kreuz Jesus. Dieser Legende wird während der religiösen Feierlichkeiten gedacht.
Im Dezember 2013 wurde das Meskel Fest in die "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes" der UNESCO aufgenommen.
Wir bezogen unser Zimmer im Axum Hotel in Mekelle. Während wir noch etwas Freizeit hatten, war Firew dabei, letzte Vorbereitungen für unsere Zeit in der Danakil zu treffen. Auch Ort und Zeit für das Meskel-Fest in Mekelle mussten noch bestätigt werden, da es im Vorfeld unterschiedliche Aussagen gab. In einigen Städten Äthiopiens wird es am Abend des 26., in anderen am Morgen des 27. September gefeiert.
07:00 Uhr Frühstück. Kurz vor 08:00 Uhr parkten wir unser Auto in der Nähe des Festplatzes. Dann mussten wir uns nur noch mit dem Menschenstrom treiben lassen. Die Zeremonie des Meskel hatte vor kurzem begonnen. Wir suchten uns ein Plätzchen mit guter Sicht und verschafften uns einen ersten Überblick. Nach kurzer Zeit meinte Firew, ich sollte mit ihm näher heran an die Zeremonie in die Mitte des Festplatzes gehen, um besser fotografieren zu können. Es war mir echt peinlich. Doch bei Firew "nein" zu sagen, ist fast unmöglich. Niemand störte sich daran, dass ich mich als Gast, deutlich erkennbar mit meiner weißen Haut, neben einigen Filmteams nun im Inneren des großen Kreises der Gläubigen aufhielt.
Die Farben, die christlichen Gesänge, die Begeisterung der Akteure der verschiedenen Gemeinden von Mekelle, alle gekleidet in ihre spezielle Kirchentracht, die vielen Priester in ihren besten Gewändern mit ihren bunten Schirmen, der Klang der Trommeln - wir waren total gefesselt von der Zeremonie. Es war eine komplett andere Welt für uns, was wir so noch nie miterleben durften.
Nach eineinhalb Stunden näherten wir uns langsam dem Höhepunkt der Zeremonie. Der Rhythmus wurde schneller und impulsiver. Alle fieberten dem Entzünden des "Demera" entgegen.
Reiter mit ihren wunderschön geschmückten Pferden - die Bedeutung bleibt mir unbekannt
Moderatorinnen eines Fernsehsenders - beautiful ladies
Das Entzünden des Feuers wurde vorbereitet. Sicherheitskräfte sperrten den Innenraum ab. Es war Zeit für mich, einen kurzen Blick in die Runde der Zuschauer zu werfen.
Die Priester schreiteten zum "Demera", um es dreimal zu umrunden und zu segnen, bevor es endgültig angezündet wurde. Ich konnte es kaum glauben. Firew hatte von den Sicherheitskräften die Erlaubnis bekommen, dass ich noch einmal in den Innenraum durfte, um den Höhepunkt der Zeremonie aus der Nähe fotografieren zu können. So etwas wäre bei uns unvorstellbar.
Die höchsten Priester begleiten seine Exzellenz, den Erzbischof von Mekelle (Mitte)
Das Feuer brannte. Nun warten alle gespannt darauf, dass das Kreuz irgendwann umfällt. Für die Äthiopisch-Orthodoxen Christen beinhaltet die Himmelsrichtung, in die das Kreuz fällt, eine Vorhersage für das bevorstehende Jahr.
Bevor wir uns vom Meskel Fest verabschieden, möchten wir noch einige Ausschnitte "Live" als Video präsentieren. So erhält man einen lebendigen Eindruck von der religiösen Zeremonie.
Wir zogen uns nun ein wenig aus der Masse der Menschen zurück. Kurz nachdem das Kreuz umfällt, wird der Innenraum von den Sicherheitskräften freigegeben. Dann versucht jeder ein Stück des verbrannten Holzes zu ergattern, um sich damit ein Kreuz auf die Stirn zu malen.
Es war inzwischen 11:15 Uhr, Zeit für uns das Festgelände zu verlassen. Die einzelnen Kirchgemeinden werden nun noch fröhlich durch die Strassen von Mekelle ziehen.
Wir waren sehr dankbar, dass wir das Meskel Fest in Mekelle miterleben durften. Es wird uns für immer in Erinnerung bleiben.
Ein Kaffee im Hotel, unsere Taschen ins Auto verstaut, unser Begleitfahrzeug für die Tage in der Danakil wartete bereits auf uns. Am Abend wollten wir in Afdera am gleichnamigen Salzsee in der Danakil sein.
Reisen Sie mit uns weiter in den Norden von Äthiopien
und begleiten Sie uns auch noch in die Danakil. Es lohnt sich.