Als wir 2018 von unserer großen Indien Tour zurück kehrten, hatten wir eigentlich gedacht, das war es für uns auf dem indischen Subkontinent. Wir hatten so viel gesehen und erlebt. Doch man sollte niemals nie sagen. Ladakh - die bizarren Gebirgslandschaften des Himalaya, der gelebte tibetische Buddhismus der Ladakhis - unbeschreiblich schöne, exotisch anmutende Bilder hatten mein Interesse geweckt. Wie kann man diesen, so völlig anderen Teil Indiens bereisen, wenn Trekking und Bergwandern ausgeschlossen sind? Schnell war klar, es geht auch vieles per Auto.
CB Singh, unserer Guide der letzten Tour für den gesamten Teil in Westindien, hatte inzwischen sein eigenes Unternehmen "Comfort Bird Tours India" gegründet. Da wir wussten, dass er gute Kontakte nach Ladakh hat, war es für uns selbstverständlich, dass wir auf seinen Service nicht verzichten wollten. Nach einigen eignen Recherchen bekam CB von mir die Eckdaten, wo wir gern hin wollten. Schnell wurden wir handelseinig für eine vier wöchige gemeinsame Tour ins Land der hohen Pässe, wie Ladakh auch gern genannt wird. Die Flüge nach Delhi hatten wir wieder für Air India gebucht, da für uns die Flugzeiten einfach komfortabler sind.
Ladakh wurde nach einer 1.000 jährigen Geschichte als eigenständiges Königreich im Himalaya 1834 ein Teil von Indien. Seit der Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 gehörte Ladakh zum muslimisch geprägten Bundesstaat Jammu & Kaschmir, ein Krisengebiet im Grenzkonflikt mit Pakistan. Einen Tag vor unserem Abflug erreichte uns die Meldung, dass am 05.08.2019 die Regierung von Narendra Modi den Status Quo in Jammu & Kaschmir dramatisch verändern wird. Der umstrittene Artikel 370 der indischen Verfassung, der Jammu & Kaschmir seine eigene Verfassung, Flagge und weitreichende Rechte zubilligte, wurde widerrufen und der bisherige Bundesstaat Jammu & Kaschmir sollte in zwei Unionsgebiete aufgeteilt werden. Ladakh erhält somit den seit Jahren gewünschten Status als eigenständiges Unionsgebiet, jedoch ohne eigene Gesetzgebung.
Es folgten einige Telefonate, mit der Frage, was kann das für unsere geplante Route bedeuten. Schließlich mussten wir, um nach Zanskar zu gelangen, unweigerlich durch das muslimisch dominierte Gebiet von Kargil. Wir sollten uns keine Sorgen machen, alles ruhig im Moment und die Ladakhis sind happy über diese Entwicklung, so der Stand der Dinge vor unserem Abflug. Wir hatten ja gar keine andere Wahl, als uns auf diese Situation mit aktuellen Vorort Informationen gegebenenfalls einzustellen. Ein ungutes Gefühl hatten wir nicht.
Mit einer herzlichen Begrüßung - welcome back in India - wurden wir am Vormittag des 07.08.2019 in Delhi am Flughafen von CB in Empfang genommen. Keiner von uns hätte je gedacht, dass wir uns so schnell wieder sehen würden. Für uns war eine Nacht im Radisson Blu Mbd Hotel Noida gebucht. Wir hatten für den Nachmittag nichts geplant - ankommen halt, einige Besorgungen, gemeinsam essen, plaudern und uns gedanklich auf Ladakh vorbereiten - das war es auch schon.
04:30 Uhr klingelte der Wecker. Eine halbe Stunde später waren wir auf dem Weg zurück zum Flughafen in New Delhi, denn unser Flug nach Leh war für 08:35 Uhr gebucht. Die Flugzeit beträgt nur ein Stunde und zwanzig Minuten.
GoAir auf unserem Flug nach Leh
Die ersten schneebedeckten Gipfel des Himalaya, leider von vielen Wolken umhüllt.
Im Anflug auf Leh
Leh und das Indus Valley aus der Vogelperspektive
Willkommen auf einer Höhe von 3.500 Metern in Leh
Im Tal des Indus auf 3.500 Metern über dem Meeresspiegel gelegen, ist Leh ein uralter Handelsplatz. Es war der Schnittpunkt der Karawanenwege zwischen dem inneren und vorderen Asien, ein Treffpunkt der Völker aus Yarkand, Tibet, Kulu, Kaschmir und Baltistan. Um das Jahr 1600 wurde Leh die permanente Resistenzstadt des Königshauses. Heute ist Leh das Wirtschafts- und Verwaltungszentrum von Ladakh. Zu den ca. 15.000 Einwohnern gesellen sich unzählige Soldaten der Indischen Armee und in den Sommermonaten Arbeitnehmer aus anderen Teilen Indiens und aus Nepal sowie jede Menge Touristen aus dem In- und Ausland.
Wir wurden am Flughafen in Leh von Tashi Dorjey, CB's Freund aus Ladakh, der für uns die Tour vor Ort organisiert hatte, begrüsst. Dann ging es direkt zu ihm nach Hause ins Dorf Saboo fünf Kilometer außerhalb von Leh, wo er neben seiner Tätigkeit als Guide ein kleines, aber feines Gästehaus mit Familienanschluss betreibt.
Britanien Elster - Eurasian Magpie bactriana (Pica pica bactriana)
Wir wurden für den Rest des Tages zum Faulenzen aufgefordert, denn akklimatisieren ist das A & O, um sich an diese Höhe zu gewöhnen. Lecker Essen, im Garten die Ruhe und die Sonne mit Blick auf die verschneiten Berge am Horizont genießen, zwischendurch ein wenig Schlaf nachholen - es fehlte uns an nichts. Wir wurden liebevoll umsorgt. Mir ging es bestens, Herbert und CB bekamen am Abend etwas Kopfschmerzen.
Blick vom Garten des Saboo Guest House
An unserem zweiten Tag zum Akklimatisieren unternahmen wir einen ersten Ausflug in die nähere Umgebung von Leh. Eigentlich wollten wir der morgendlichen Puja in der Thiksay Gonpa beiwohnen. Doch daraus wurde nichts, da kürzlich einer der Mönche verstorben war und das übliche Morgengebet mit einer grösseren Anzahl von Mönchen zu diesem Zeitpunkt nicht stattfand. So hatten wir keine Eile.
Thiksay Monastery
Thiksay ist 19 Kilometer von Leh entfernt. Das Kloster liegt malerisch auf einem Hügel mit Blick auf das Indus-Tal. Tsongkhapa, der Gründer der Gelugpa Schule des tibetischen Buddhismus, bekannt als Gelbmützenorden, orakelte vom fernen Tibet aus im 15. Jahrhundert, dass seine Lehre später auf der rechten Seite des Indus gedeihen werde. Selbst erlebte er es nicht mehr. Erst nach seinem Tod gründete Palden Sherab in Thiksay das erste Gelugpa Kloster in Ladakh im Jahr 1433.
Der Klosterhof mit Wandmalereien
Der Versammlungsraum (Tschokhang)
Wandmalereien im Versammlungsraum mit buddhistischen Standardthemen
Der Figurenraum (Tsankhang) hinter dem Versammlungsraum - ihn gibt es nur bei den Gelbmützen
Maitreya - der Buddha des künftigen Zeitalters im neu errichteten Tempel
Details vom Maitreya Tempel
Blick ins Indus Tal von der Thiksay Monastery
Unser erster Besuch in einem buddhistischen Tempel - Tashi wollte uns nicht überfordern, weshalb er auf weitreichende Erklärungen zu dem Gesehenen verzichtete. Dafür würden wir in anderen Klöstern noch genügend Zeit haben. Wir genossen noch eine Weile den Blick ins Indus Tal, bevor wir uns auf den Weg nach Hemis machten.
Der Zugang zur Hemis Monastery
Hemis, 45 km von Leh entfernt, ist das grösste und reichste Kloster von Ladakh. Es liegt etwas versteckt in einem Seitental am Westufer des Indus, weshalb Hemis Plünderungen feindlicher Armeen in der Vergangenheit oft entgehen konnte. Auch der Landbesitz ist noch immer erheblich, da bei der Landreform 1950 die Klöster verschont wurden. Gegründet wurde das Kloster 1630 von Tagtsang Repa, der auf Einladung des damaligen Königs in Ladakh ein Kloster bauen sollte. Hemis gehört zur Drukpa-Linie des tibetischen Buddhismus, eine Schule der Rotmützen. Neben der edlen Ausstattung der Versammlungsräume werden in einem Museum historisch bedeutende religiösen Statuen, Skripte, Thangkas und mit Edelsteinen besetzte Stupas gezeigt. Fotografieren ist in den Innenräumen nicht gestattet.
Der Tempelhof
300 Mönche gehören zur Hemis Gonpa
Felsentaube - Rock Pigeon (Columba livia)
Durch seine versteckte Lage zwischen den Berghängen ist es nicht möglich, das Kloster Hemis als Gesamtanlage zu fotografieren. Dafür müsste man einen der umliegenden Berghänge erklimmen, was wir uns natürlich ersparten.
Auf dem Rückweg von Hemis zum Manali-Leh-Highway
Bisher hatten wir uns für den zweiten Tag auf dieser Höhe ganz tapfer geschlagen. Es war Zeit für eine ausgiebige Mittagspause. Auf dem Rückweg nach Saboo legten wir noch einen letzten Stopp in Shey ein.
Shey Monastery und Shey Palace, die einstige Sommerresistenz der Könige von Ladakh
Der Palast, heute nur noch Ruinen, wurde 1655 vom König Deldan Namgyal, auch bekannt als Lhachen Palgyigon, als Sommerresidenz erbaut. Das zugehörige Kloster beherbergt die Statue eines sitzenden Shakyamuni Buddha.
Blick vom Klosterberg ins Indus Tal in Shey
Ein kleines Feuchtgebiet in Shey
Stockente - Mallard (Anas platyrhynchos) © CB Singh
Für den dritten Tag in der Umgebung von Leh zum Akklimatisieren war der Besuch des Dak-Thok Festivals geplant. Als wir durch Saboo fuhren entdeckten wir unser erstes Chukarhuhn.
Chukarhuhn - Chukar Partridge or Northern Chukar (Alectoris chukar pallescens)
Fotostopp auf dem Weg ins Dorf Shakti: die Chemday Monastery schmiegt sich malerisch an den Berghang
Die Dak-Thok Monastery im Dorf Shakti gehört zur Nyingma Tradition des tibetischen Buddhismus. Es ist das einzige Kloster dieser buddhistischen Schule in Ladakh mit ca. 55 Mönchen. Das alte Kloster wurde Mitte des 16. Jahrhunderts an einem Berghang um eine Höhle herum erbaut. Man glaubt, das Padmasambhava, auch bekannt als Guru Rinpoche, im 8. Jahrhundert in dieser Höhle meditiert hatte. Jedes Jahr am 10. Tag des sechsten Monats nach dem tibetischen Kalender findet zu Ehren von Lord Padmasambhava an seinem Geburtstag ein Klosterfestival statt, wo symbolisch der Sieg über Dämonen und Teufel gefeiert wird.
Der erste Tanz: The Cham Making the boundery (mTsam-gChod-Kyi sKu-'Chams)
Padmasambhava wird zugeschrieben, im 8. Jahrhundert den Buddhismus im Himalaya etabliert zu haben. Dies soll ihm durch die Bezwingung von Dämonen und lokalen Gottheiten sowie durch Ritualtänze gelungen sein, die als Prototyp heutiger Maskentänze gelten. Einige Dämonen transformierte er sogar zu Beschützern der Religion. Sie sind bis heute Hauptfiguren in tibetischen Ritualtänzen (Cham). Sie werden seit mehr als eintausend Jahren so praktiziert.
Ein Großteil der Besucher waren Touristen, doch auch jede Menge Ladakhis verfolgten die religöse Zeremonie.
Der zweite Tanz: The Cham of showering Blessings (byin -'Bebs-kyi-Gar sTabs)
Der dritte Tanz: The Cham of Offering Sacrificial Cakes ('Chams-sTabs gTor-'bul)
Mittagspause: Frauen nutzten die Zeit für ihren spirituellen Weg
Blick nach Shakti
Wir verbrachten die Mittagspause ein Stück weit oberhalb von Shakti. Es ist die Zufahrt zum Wari La Pass ins Nubra Valley.
Ein wenig Regen und die Steinwüste begann zu blühen
Ohrenlerche - Horned Lark (Eremophila alpestris longirostris) - das Weibchen
Lunch mit Fernsicht in absoluter Ruhe
Als wir von unserer Mittagspause zur Nyingmarapa Monastery zurück kehrten, hatte der vierte Tanz bereits begonnen. Dakinis, welche im tibetischen Buddhismus als weibliche Wesen die Seelen der Toten in den Himmel bringen, hatten die Bühne betreten. Sie repräsentierten den unermüdlichen Glauben und die Hingabe zu ihrem Guru Rinpoche, der in seinen acht Aspekten mit seinem Gefolge bereits unter einem Baldachin Platz genommen hatte. Die Bitte um eigene Erleuchtung wurde zelebriert.
Der vierte Tanz: The Cham of Supplication (gSol-'Debs-Kyi-sTabs)
Die Mönche zeigten im Anschluss einen Cham Tanz, der die acht Erscheinungsformen von Guru Rinpoche repräsentierte. Er schloss mit einer Prozession im Klosterhof ab.
Der fünfte Tanz: jede einzelne Performance der Erscheinungsformen von Guru Rinpoche hatte einen eigenen Namen - das ersparen wir uns hier
Die meisten Touristen hatten das Festival verlassen. Wir warteten gemeinsam mit den Ladakhis auf das Finale.
Der sechste Tanz: The Cham dance comes to an end.
Die Eindrücke des Tages mit einigen bewegten Bildern
Auf dem Weg nach Hause
Für einige Stunden durften wir in eine uns völlig unbekannte Welt eintauchen - ein ganz besonderes Erlebnis. Auf uns Touristen wirkte es zwar etwas exotisch, für die Ladakhis sind es Stationen auf ihrem spirituellen Weg, den wir wohl nie verstehen werden.
Reisen Sie mit uns weiter durch Ladakh
Wir werden die Seen Pongong, Tsomoriri und Tsokar besuchen. Es lohnt sich.