Die Region um den Lake Turkana im äußersten Norden Kenias ist als „Wiege der Menschheit“ weltberühmt. Etliche Funde von Überresten prähistorischer Hominiden stammen von hier – vom Schädel eines rund 3,5 Millionen Jahre alten Kenyanthropus platyops bis hin zum so genannten „Turkana Boy“, dem 1,5 Millionen Jahre alten und fast vollständig erhaltenen fossilen Skelett eines Homo Ergaster. Der auch als Jade See bekannte Lake Turkana, größter Wüstensee der Welt, ist Lebensraum für eine vielfältige Tierwelt, darunter die größte Krokodil Population Afrikas und unzählige Wasservögel.
Am Ostufer des Sees liegt der Sibiloi National Park mit der prähistorischen Fundstätte Koobi Fora und den fossilen Überresten eines versteinerten Waldes. Außerdem kommen in der wüstenartigen Landschaft seltene Huftiere wie das Grevy-Zebra oder die Tiang-Leierantilope vor. Ebenfalls als National Park geschützt sind die nur per Boot erreichbaren South und Central Islands, wichtige Brutplätze für die Krokodile im See.
So ähnlich wird die Region um den Lake Turkana von "magical-kenya" beschrieben.
Sibiloi mit einer Fläche von 1.570 km² ist seit 1973 als National Park unter Schutz gestellt. Seit 1997 ist er als Teil der "Lake Turkana National Parks" in die Liste des "UNESCO World Heritage" aufgenommen.
13:00 Uhr waren wir am Karsa Gate. Die Ranger in Sibiloi waren wohl ebenso erstaunt wie schon zuvor in Marsabit, uns hier zu sehen. Eigentlich hatten wir geplant, auf der Koobi Fora Campsite unsere Zelte aufzuschlagen. Das wären weitere ca. 50 Kilometer schwere Rüttelpiste gewesen. Auch hat es keinerlei Schatten, um der gutheissen Sonne zu entfliehen. Man empfahl uns die "Camp Turkana" Public Campsite. Sie liegt im Süden des Parks, also nicht so weit vom Gate entfernt, direkt am Ufer des Sees und hat einige wenige Bäume.
Blick vom Karsa Gate zum Mt. Sibilot
Nachdem Zarek die Formalitäten erledigt hatte, erklärten uns die Ranger noch den kürzesten Weg zur Campsite. Die Orientierung im Park war kein Problem. Man will es kaum glauben, dass ein so abgelegener National Park eine 1A Beschilderung an jeder Weggabelung hat. Ein erster wunderschöner Blick über den Lake Turkana war eine Bucht, wo Hirten gerade ihre Kamele tränkten. Wir mussten jedoch noch über einen Hügel zur nächsten Bucht.
Public Campsite "Camp Turkana"
Camp Turkana ist traumhaftschön gelegen. Wir waren happy mit unserer Entscheidung. Einziges Problem - es hat überall hunderte von Steinen. Jeder suchte sich ein schattiges Plätzchen für sein Zelt und dann war gross Saubermachen angesagt. Die grossen Steine mussten natürlich weg, wenn wir einen erholsamen Schlaf haben wollten. Die grobe Arbeit per Hand, der Feinschliff mit dem Besen - wir mussten uns halt etwas einfallen lassen.
Das Wasser sah verlockend aus, doch hatten uns die Ranger am Gate schon gewarnt, dass wir auf Krokodile aufzupassen haben. Zarek, Mike und Herbert suchten per Fernglas die Wasseroberfläche ab. Hier ein Kroko, da ein Kroko - nix mit Schwimmen. Die Herren gingen jeweils zu zweit mit einer großen Schüssel bewaffnet zum Ufer. Einer passte auf, der andere schöpfte Wasser und duschte am Stand. Ich bekam eine Schüssel voll Turkana Wasser hinters Toilettenhäuschen gestellt. Einfach, praktisch und eine Wohltat. Wir fühlten uns wie neu geboren.
Kurz vor Sonnenuntergang wurde es windig. Die aufgeheizte Luft fegte in Richtung See. An eine Abkühlung war noch lange nicht zu denken. Wir genehmigten uns einen Drink und beobachteten das Spiel der Farben über dem Lake Turkana.
Unser erster Sonnenuntergang am Lake Turkana
Auch ohne Weckruf saßen wir alle kurz vor Sonnenaufgang mit einer ersten Tasse Kaffee zusammen. 07:00 Uhr waren wir mit Zarek startklar. Mike blieb heute bei Vincent im Camp, da es doch recht nah an der Parkgrenze ist. Wir wollten für ihn und unsere gesamten Vorräte kein Risiko eingehen.
Ein erster Fotostopp folgte nach wenigen Minuten, denn wir hatten bereits am Tag zuvor entdeckt, dass man von diesem Hügel aus Central Island sehen kann. Eigentlich hatten wir uns alle auf einen Besuch im Central Island National Park gefreut, daraus wurde leider nichts. Früher gab es wohl ein Boot in Alias Bay am Park HQ zu mieten. Das ist leider Geschichte - kein Boot, keine Bootstour - Central Island, du bleibst ein unerfüllter Lebenstraum. Somit ist es heute nur noch möglich, vom Westufer des Lake Turkana nach Central Island zu gelangen.
Blick über den Lake Turkana nach Central Island
Im Sibiloi National Park gibt es Kenyas größten versteinerten Wald (Petrified Forest). Es sind die Überreste eines einst großen Zedernwaldes, der am Ufer des Lake Turkana vor ca. sieben Millionen Jahren durch Sedimentgestein und vulkanische Asche vollständig luftdicht abgedeckt wurde.
Doch wie entsteht ein Versteinerter Wald? In Wasser gelöste Mineralien durchdringen nicht nur das Sedimentgestein sondern auch die eingebetteten Baumstämme. Nach und nach wird so das organische Holz durch anorganische Mineralien ersetzt. Die Struktur und die Form des Baumstammes blieben dabei aber perfekt erhalten. Das wichtigste Mineral bei diesem Vorgang ist Siliziumdioxid. Es füllt die Poren des Holzes auf und „verkieselt“ dieses. Doch auch andere Mineralien sind beteiligt und verantwortlich für die schönen Farben der versteinerten Baumstämme.
Im Sibiloi muss es sich um Eisenoxide gehandelt haben, was das Holz rot, gelb oder braun eingefärbt hat.
Erst genehmigten wir uns einen Blick in respektvollem Abstand. Überall lagen versteinerte Holzstämme und Bruchstücke herum. Natürlich mussten wir uns das Ganze auch vorsichtig aus der Nähe betrachten.
Zarek war schon weiter oben am Berg, als er plötzlich rief: "Kommt, von hier oben gibt es einen herrlichen Panoramablick." Er hatte uns nicht zu viel versprochen.
Blick vom Petrified Forest zum Lake Turkana
Das gesamte Gebiet ist traumhaft schön. Die Natur hat hier ein Meisterwerk der Farbharmonie hingezaubert. Zwischen den Steinen das wenige Grün oder Silber der kleinen Sträucher, einzelne kleine Büschel goldenes Gras - sonst ist alles Wüste.
Eine ganze Stunde hatten wir hier mit Staunen und Fachsimpeln über die Entstehung des versteinerten Holzes verbracht. Ganz klar war es uns zu diesem Zeitpunkt nicht. Zurück im aufgeheizten Auto, sorgte auch der Fahrtwind nicht wirklich für eine Erfrischung.
Sibiloi ist kein National Park, wo einem permanent Tiere über den Weg laufen. So freuten wir uns natürlich über ein hübsches Pärchen einer für uns neuen Trappe (Bustard), die im trockenen Norden Kenyas zuhause ist.
Heuglintrappe - Heuglin's Bustard (Ardeotis heuglinii)
links das Weibchen, unten das Männchen
Wir waren auf dem Weg nach Koobi Fora. Ein Blick auf die Karte sagte uns, was wir da im Lake Turkana sahen - North Island.
Blick über den Lake Turkana auf North Island
Kurz bevor wir an der Research Station ankamen, gab es für uns doch ein Wildlife Highlight - eine Tiang-Leierantilope stand in einiger Entfernung zur Piste im Gras, schaute uns kurz an und verschwand im trockenen Bush.
Tiang-Leierantilope - Tiang (Damaliscus lunatus tiang)
Der Name Koobi Fora ist untrennbar mit Dr. Richard Leakey und seiner Frau Meave verbunden. Seit 1968 führte er mit seinem Team sehr erfolgreich Feldarbeit im gesamten Turkana Becken durch. Eine interessante Zeitübersicht der Erforschung gibt es beim 2005 gegründeten Turkana Basin Institute.
Koobi Fora Museum
An extinct relative of the giraffe
(Sivatherium aurusium)
at the top: An extinct buffalo-like animal (Pelorovis sp.)
left: An extinct waterbuck (Kobus sp.)
right: An extinct wildebeeste (Connochaetes gentryi)
Fundstücke von geringerer Bedeutung an der Research Station
Als wir aus dem kleinen Museum kamen, war es bereits 13:00 Uhr. Es gibt noch zwei Fundstellen - Elephant Site (das Fossil eines Elefanten datiert mit 1.7 Millionen Jahre) und Giant Tortoise (das Fossil einer riesigen ausgestorbenen Schildkröte datiert mit 1.6 Millionen Jahre), die man ebenfalls besichtigen kann. Nur sind diese Fundstellen 20 Kilometer vom Museum entfernt - leider in nördliche Richtung. Dafür hätten wir mindestens zwei Stunden gebraucht. Der Weg anschließend zurück zur Campsite war dafür einfach zu weit - schade.
Flammenkopf-Bartvogel - Red-and-yellow Barbet (Trachyphonus erythrocephalus)
Ein hübscher Bartvogel (Barbet) war recht kooperativ beim Fotografieren. Doch der kleine Bienenfresser (Bee-eater) in seinem Gewirr von Ästen flog gleich nach dem ersten Versuch auf und davon.
Somalispint - Somali Bee-eater (Merops revoilii)
Als wir zum Camp zurück kamen - alles war in Ordnung - erzählten uns die Beiden, dass sie Besuch von einem kleinen Jungen hatten, der eine Ziege vermisste. Also auch da keine Langeweile. Eine Tasse Kaffee, duschen in gewohnter Weise, Testfotos einer Wüstenrose (Desert Rose) hinter der Campsite - die Zeit verging wie im Flug.
Wüstenrose - Desert Rose (Adenium obesum)
Wir schauten der untergehenden Sonne zu. Es sah ein wenig anders aus als am Tag zuvor. Vincent bereitete das Dinner für alle vor und Mike entfachte das Campfire. Ein letzter Abend im Sibiloi - am nächsten Morgen hiess es erneut packen.
Unser zweiter Sonnenuntergang am Lake Turkana
© Zarek Cocker
Zarek war nach Einbruch der Dunkelheit öfters auf der Suche nach der kleinen nachtaktiven Tierwelt in der Nähe unseres Camps unterwegs. Ein besonderes Highlight gab es so für Ihn auch im Sibiloi mit einem Skorpion. Als Zarek ihn entdeckte, glaubte er ursprünglich, dass es ein Hottentotta trilineatus sei - eine sehr häufige anzutreffende Art in den trockenen Gebieten von Kenia. Es war aber offensichtlich ein "Hottentotta mazuchi", der bisher nur bei North Horr gefunden wurde. Somit ist Sibiloi ein neuer Fundort für diese Art. Das wurde für Zarek im Nachhinein von Tomas Mazuch identifiziert, ein Herpetologe, nach dem diese Art benannt wurde.
Unser kleines Fazit: Plant man eine Reise auf die Ostseite des Lake Turkana, sollte man den Sibiloi National Park ebenfalls besuchen, denn sonst hat man was verpasst.
Loiyangalani ist eine kleine Stadt am Südostufer des Lake Turkana. Loiyangalani bedeutet "ein Ort mit vielen Bäumen" in der Sprache der Samburu. In den 1980er Jahren war Loiyangalani das Ziel des legendären "Turkana Bus", auch als härteste Busreise der Welt bekannt.
Einmal im Jahr ist der kleine Ort seit einiger Zeit nun wieder voll von Gästen und Einheimischen gleichermaßen, denn seit 2008 findet hier alljährlich das Lake Turkana Cultural Festival statt. Leider passte der Termin so gar nicht in unsere Reiseplanung.
Am Karsa Gate im Sibiloi holte sich Zarek noch Informationen aus erster Hand über den besten Weg nach Loiyangalani. Es gibt wohl eine Piste immer nah am Seeufer entlang, doch sollten wir diese gar nicht erst versuchen, da extrem schlecht. Die ersten Kilometer fuhren wir auf gleichem Weg zurück, wie wir gekommen waren. Wir wollten jedoch nicht über North Horr fahren, also ging es an unserem hübschen einsamen Schild geradeaus direkt nach Loiyangalani. Immer wieder begegneten wir Hirten mit ihren Herden.
Aus den Hügeln kommend verlaufen unzählige trockene Flussläufe ins Becken des Lake Turkana - mal schmaler, mal breiter - alle voll von diesen kleinen losen grauen Kieselsteinen. Sie alle mussten durchfahren werden. Die Flussufer waren mit größeren Bäumen und Sträuchern gesäumt. Die Nomaden hatten ihre Hütten in dieser Jahreszeit meist in Flussnähe errichtet. Eines der Flusstäler war auch für uns ein willkommener Platz für ein Picknick zur Mittagszeit.
Am Horizont tauchte ein wunderschönes Bergmassiv auf. Es sollte etwas später noch Zarek's Fahrkünste voll und ganz in Anspruch nehmen.
"Mount Porr" der heilige Berg der El Molo - Blick auf die Nordseite -
Kilometer um Kilometer näherten wir uns dem Bergmassiv. Auf der Nordseite führte ein Flusslauf direkt an den felsigen Ausläufern vorbei. Dieses Mal waren im breiten Flussbett keine Kieselsteine. Es war feiner Tiefsand. Der Land Cruiser allein hätte kein Problem gehabt, doch der schwere Trailer wirkte wie ein Bremsklotz. Meter um Meter kämpfte sich Zarek durch den Sand. Geschafft - wir waren auf der anderen Seite. Doch wo ging es weiter? Nach Westen zum See gab es keinen Weg. Nach Osten zeigte eine Fahrspur, die jedoch nach wenigen Metern zurück ins sandige Flussbett führte. Stopp, so ging es nicht weiter. Das konnte und wollte Zarek dem Auto nicht zumuten. Zarek, Vincent und Mike gingen zu Fuss auf Erkundungstour, um nach dem weiteren Verlauf der Piste zu schauen. Wir warteten derweil am Auto. An der Bergseite war kein Durchkommen. Die Felsen reichten bis in den Sand. Auf der anderen Uferseite war eine etwa zwei Meter hohe Böschung zu überwinden, dann folgten einige große Bodenwellen. Es wurde beratschlagt und das ein oder andere Hindernis aus dem Weg geräumt. Dann war die einzig mögliche Route festgelegt. Die Anspannung war enorm. Zunächst ging es noch einmal durchs sandige Flussbett. Dann kam die Böschung. Einige Versuche und das Auto nebst Trailer war oben. Wir durften wieder einsteigen, denn die restlichen zwei-, dreihundert Meter zurück zur besseren Piste waren für Zarek wie ein Kinderspiel. Es gibt leider keine Fotos. Das hatte ich in der Aufregung glatt vergessen.
Wir näherten uns der El Molo Bay. Auf zwei schmalen Landzungen, die weit in den See hineinragen, hatten die El Molo ihre Dörfer errichtet. Die El Molo leben vom Fischfang. Sie sind mit ca. 600 Personen die kleinste Volksgruppe in Kenya. Wie kann man so überleben, es ist uns ein Rätsel - Sonne, Hitze und Wind völlig ausgesetzt.
Die letzten Kilometer bis Loiyangalani führten meist dicht am Ufer des Lake Turkana entlang.
Blick nach Süden kurz vor Loiyangalani
Zuerst schauten wir uns die Campsite des Malabo Resort in Loiyangalani an. Wenig Schatten, keine direkte Zufahrt zur Campsite und der Blick direkt in den Ort, es wirkte auf uns alle nicht besonders einladend. So fuhren wir wie geplant zum Palm Shade Resort and Camp. Wir wurden sehr herzlich empfangen und bauten auf einer kleinen Wiese im Schatten von hohen Palmen unsere Zelte auf.
Palm Shade Campsite Loiyangalani
South Island National Park
2001 wurde South Island als Erweiterung zu den "Lake Turkana National Parks" von der UNESCO bestätigt. Die Insel mit ihren 39 km² Fläche ist, wie Central Island auch, wichtiges Brutgebiet für die Krokodile des Sees und liegt auf der Flugroute unzähliger Zugvögel.
Zarek hatte am Abend nach unserer Ankunft in Loiyangalani bereits Kontakt zu einem der Bootsbesitzer. Da er jedoch nur ein Holzboot besaß und wir kein großes Interesse auf Wasser schöpfen während der Bootstour hatten, sollte der Rat der KWS-Ranger noch eingeholt werden. So fuhren Zarek und Mike nach dem Frühstück zur Ranger Station. Sie konnten uns ein stabiles Boot vermitteln. Allerdings mussten wir uns noch etwas gedulden. Das Ablegen war erst am späten Vormittag möglich, da am Morgen der Wind noch viel zu stark und gefährlich war.
Kurz nach 11:00 Uhr waren wir alle startklar - Bootsführer mit Helfer, Zarek, Mike und wir beide. Auch zwei Ranger nutzen die Gelegenheit zur Überfahrt, um nach dem Rechten zu sehen. Noch immer waren kleinere und grössere Wellen auf dem Wasser, doch unser Bootsführer verstand sein Handwerk und schipperte uns sicher von Welle zu Welle. Mike indes hatte seine Fröhlichkeit verloren. Trotz seiner braunen Hautfarbe, würden wir sagen, er sah recht blass um die Nase aus. Natürlich fragte ich Ihn, was los sei. "Kannst Du schwimmen?" Antwort: "Nein". "Bist Du schon einmal Boot gefahren?" Antwort: "Nein". Er erzählte uns, dass er am Morgen noch mit seiner Frau telefoniert hatte, und sie nun ganz fest die Daumen drückte, dass sie ihn lebend zurück bekommt. Seine Neugier, South Island selbst zu entdecken, hatte über seine Angst gesiegt.
Eine dreiviertel Stunde dauerte die Überfahrt. Dann legten wir in einer kleinen Bucht voller Kieselsteine auf South Island an. Wir machten uns auf, die Insel ein wenig zu erkunden. Die Ranger nutzen indes die Zeit, um per Boot eine Kontrollrunde zu machen.
Wir stiegen langsam zum Krater von South Island hoch. Die Sonne brannte ohne Erbarmen vom Himmel. Als Krater selbst wurde hier ein tiefes Loch in das Felsgestein gerissen. Wir schätzen, dass es über 200 Meter in die Tiefe geht, denn ca. 6 Sekunden dauerte es, bis ein hinein geworfener Stein auf das Wasser in der Tiefe aufschlug.
Blick in den Krater von South Island
Irgendwie wirkte das ganze Szenario wie von einem anderen Planeten. Die Urgewalt der Schöpfung hatte ganze Arbeit geleistet. Die Felsen und Steine, die Strukturen und Farben, das erfrischende Grün der wenigen Sträucher und das spärliche Gras, das türkisblaue Wasser und die Bergsilhouetten am Horizont - es war faszinierend und zog einen völlig in seinen Bann.
Wir setzen uns auf die Steine und freuten uns über die Aussicht. Zarek und Mike zog es weiter den Berg hinauf. Sie wollten einfach wissen, was es da noch von oben zu sehen gab.
Blick von South Island - im Hintergrund Mount Kulal
Während Zarek und Mike noch eine kleine Felswand auf dem Rückweg bezwangen - ihr Forscherdrang war vollends geweckt - nutzen wir die Zeit, um ein Lavafeld aus der Nähe zu inspizieren.
Vulkaninsel vor South Island
Lavafeld auf South Island - im Hintergrund "Porr", der heilige Berg der El Molo
Zurück in der kleinen Bucht entdeckten wir zwei Krokodile im Wasser. Auch sah es am Strand so aus, als ob die Krokodil-Weibchen ihre Eier in den Kieselsteinen vergraben, denn es gab an einigen Stellen Vertiefungen, die aussahen wie ein geöffnetes Nest.
Der Wind hatte sich weiter gelegt. Die Rückfahrt war weitaus ruhiger, dauerte aber länger, da wir ein traditionelles Floss der El Mole im Schlepptau hatten. Die Ranger hatten es am Strand auf der Insel gefunden. Das ist illegal. Für uns war die Situation etwas bedrückend. Es blieb unklar, was mit dem Fischer passiert war - ein Unglück oder war er nun ohne Boot allein auf der Insel.
South Island Lake Turkana
Auf dem Weg zurück nach Loiyangalani
Gegen 16:00 Uhr waren wir zurück in Loiyangalani. Mike hatte wieder festen Boden unter den Füssen. Als Erstes schickte er seiner Frau eine SMS, dass er das Abenteuer überlebt hatte. Dann holte er sein Gewehr aus der Waffenkammer der Ranger. Er wollte nicht riskieren, dass es im Lake Turkana versenkt wird und hatte es sicherheitshalber zuvor deponiert.
Zurück auf der Campsite gab es ein kaltes Bier und eine ausgiebige Dusche. Trotz einer Anzahl weiterer Gäste, es waren wohl Teilnehmer an einem Meeting, war es erstaunlich ruhig. Ein leckeres Dinner aus Vincents Küche und lange, sehr interessante Gespräche mit Mike über das Volk der Samburu folgten. Wir freuten uns sehr über seine Offenheit, all unsere Fragen im Detail zu beantworten. Uns interessierten natürlich die kulturellen Traditionen der Samburu. Doch genauso interessant war es für uns zu erfahren, wie moderne, gebildete Samburu über das Leben, die Familie, ja natürlich auch über Gott und die Welt denken. Ein Wissensaustausch auf Augenhöhe, wie wir es lieben.
Mount Kulal
Mount Kulal mit seinen 2.285 Meter ü.d.M. ist ein erloschener Vulkan, dessen Kappe mit Nebelwald bedeckt ist. Er repräsentiert ein einzigartiges Ökosystem, umgeben von trockenem Land. Er liegt im Zentrum des gleichnamigen Biosphärenreservats, was sich vom Süden des Lake Turkana über die Lavafelder bis zur Chalbi Desert im Osten des Berges erstreckt.
Sind wir einmal so weit im Norden Kenyas unterwegs, wollten wir auch zum Mount Kulal. Die Ranger von KWS hatten Zarek erklärt, wie wir fahren müssen - zweiter Abzweig links kurz vor Siriwa. Klingt einfach, war es aber nicht, denn das ist genau das Areal, wo das Lake Turkana Wind Power Projekt gerade entsteht. Überall sind neue Pisten zu beiden Seiten der Straße präpariert, denn 155 der geplanten 365 Windturbinen sind bereits installiert. Nach einigen Irrfahrten halfen uns zwei junge Einheimische weiter. Einer von Ihnen wollte eh nach Gatab am Mount Kulal. Gern gaben wir ihm einen Lift und so hatten wir einen ortskundigen Führer.
Auf dem Weg zum Mt. Kulal - am Horizont die Silhouetten der Nyiru Range und des Ol Doinyo Mara
Die Piste führte stetig bergan. Je höher wir kamen, desto kühler wurde es und die Vegetation änderte sich. An der Ostflanke des Mt. Kulal hat sich durch Erosion über Millionen von Jahren die El Kajarta Schlucht ins Bergmassiv eingegraben.
El Kajarta Schlucht an der Ostflanke des Mount Kulal
© Zarek Cocker
Das letzte Stück bis Gatab, ein Dorf der Samburu mit einer Missionsstation auf einem Plateau auf 1.657 Metern, windet sich die Straße in engen Kurven steil den Berg hinauf. Ein Aussichtspunkt bietet einen traumhaften Blick hinunter in die weiten Ebenen.
Aussichtspunkt kurz vor Gatab
Um von Gatab in den Bergwald weiter hoch zu fahren, brauchten wir die Genehmigung der Dorfältesten. Es dauerte ein Weilchen, bis die zuständige Person gefunden war. Für ein kleines Entgelt wurde uns ein lokaler Guide gestellt und das Tor hinter der Missionsstation geöffnet. Langsam ging es auf einer ausgewaschenen, schmalen Piste durch den Wald weiter bergauf. Steine und Wurzeln mussten vorsichtig umfahren werden. Irgendwann war ein Punkt erreicht, wo es nicht mehr weiter ging, ohne Gefahr zu laufen, dass das Auto beschädigt werden könnte - Endstation.
Lunchtime. Jeder suchte sich ein nettes Plätzchen. Wir gönnten uns erst einmal eine Pause. Unser lokaler Guide meinte zwar, dass es nicht mehr weit zu einer Campsite wäre. Doch wie weit war es wirklich, dass konnten wir nicht ganz in Erfahrung bringen. So lehnten wir einen Fußmarsch in Richtung Gipfel dankend ab.
Zarek und Mike streiften indes durch den angrenzenden Wald, immer auf der Suche nach etwas unbekanntem. Auch am Mount Kulal gibt es ein hübsches endemisches Chameleon - das "Mount Kulal Stump-nosed Chameleon" (Trioceros narraioca).
oben: Afrikanisches Löwenohr - "Lion's Ear" flower (Leonotis sp.)
links: Eine wilde Orchidee - Wild Orchid
(either Aerangis sp. or Rangeris sp.)
© Zarek Cocker
Zarek bekam für die Orchidee verschiedene Meinungen von Experten. Ohne die Pflanze in der Hand zu haben, ist es halt schwierig, sie im Nachhinein zu bestimmen.
Die Artenvielfalt des natürlichen Bergwaldes ist erstaunlich. Überall zwitscherte es im grünen Gewirr von Blättern. Schmetterlinge schwebten an uns vorbei. Am Rand des Bergwaldes dominiert der Ostafrikanische Wacholder. Er ist in Afrika weit verbreitet und gedeiht in Höhenlagen von 1.000 bis 3.600 Metern.
Ostafrikanischer Wacholder - East African-Cedar (Juniperus procera)
Blick über die kleine Ortschaft Gatab
Wir verabschiedeten uns in Gatab. Mike war sichtlich berührt von seinem Besuch am Mount Kulal. Für ihn ist es nicht nur einer der heiligen Berge seines Volkes. Sein Clan stammt vom Mount Kulal. Sein Vater war hier geboren. Später hatte er die Gegend verlassen. Nun stand er das erste Mal selbst am Ort seiner Vorfahren.
Zurück in Loiyangalani gab es eine Tasse Kaffee. Dann machten wir uns auf zum 2008 eröffneten "Desert Museum". Es ist auf einem kleinen Hügel ausserhalb der Stadt erbaut, mit freier Sicht auf den Lake Turkana. Es beherbergt eine sehr eindrückliche Sammlung von Artefakten und Bildern, die die einzigartige kulturelle Lebensweise der acht Volksgruppen, die im Turkana Becken leben, dokumentieren.
Anschließend setzten wir uns mit einem Drink draussen hin. Wir erfreuten uns ein letztes Mal am Farbenspiel der untergehenden Sonne über dem See.
Sonnenuntergang am Desert Museum Loiyangalani - rechts im Hintergrund Mount Porr
Sonnenuntergang am Desert Museum Loiyangalani - links im Hintergrund South Island
Es war schon dunkel, als wir die Campsite erreichten. Nach einer erholsamen Nacht, hiess es wieder einmal packen. Unsere Zeit am Lake Turkana war abgelaufen. Als wir die Uferregion in Richtung South Horr verließen, genehmigten wir uns einen letzten wehmütigen Blick zurück auf den Jade See.
Ein letzter Blick zurück auf South Island
Lavasteinfelder am Südufer des Lake Turkana - im Hintergrund ein letzter Blick auf "Porr"
Was wird die Zukunft für die Menschen und die Natur rund um den Lake Turkana bringen? Wir wissen es nicht. Mehrere Großprojekte in der Region geben erheblichen Anlass zur Sorge:
Mehr Informationen dazu gibt es bei der NGO Friends of Lake Turkana.
Unser kleines Fazit: Wir sind sehr froh, dass wir uns für den Besuch des Lake Turkana entschieden haben. Es ist eine faszinierende Landschaft, gepaart mit viel ursprünglicher Kultur. Leider ist die Begegnung mit den Menschen am Lake Turkana absolut zu kurz gekommen. Auch hier hatte uns einfach die Zeit gefehlt.
Anfang März 1888 erblickte Graf Samuel Taleki als erster Europäer die Südseite des Lake Turkana. Aus Dankbarkeit für die Unterstützung seiner zweijährigen Expedition 1887/ 1888 durch Rudolf, Kronprinz von Österreich und Ungarn, nannte er ihn Rudolph See.
Mit einem Zitat aus dem 1892 veröffentlichten Buch "Zum Rudolph-See und Stephanie-See", geschrieben von seinem Begleiter Ludwig von Höhnel, beenden auch wir unsere Zeit am Lake Turkana.
"Die Leere in der Tiefe füllte sich wie durch Zauber mit malerischen Bergen und schroffen Hängen, mit einem Gewirr von Schluchten und Tälern, die von allen Seiten herbeizueilen schienen, um einem tiefblauen, in unabsehbar weiter Ferne verblassenden Seespiegel als Rahmen zu dienen.
Lange Zeit standen wir in sprachlosem Entzücken unter dem Banne der landschaftlichen Reize, die von allerwärts auf uns einwirkten, und stumm, wie wir, starrten auch unsere Leute in die weite Runde hinaus, bis ihr staunen sich in lauten Ausrufen der Verwunderung über den großen See löste, dessen spiegelnde Fläche am fernen Horizonte mit dem Blau des Himmels verschmolz"
Reisen Sie mit uns weiter durch den Norden Kenyas
und begleiten Sie uns auch in den Mara Triangle. Es lohnt sich.