Bisher haben wir Kenya als Reiseziel immer außen vor gelassen. Bilder von der großen Anzahl an Fahrzeugen in der Masai Mara schreckten uns förmlich ab. Einige interessante Berichte über Kenya abseits der Touristenpfade weckten im vergangenen Herbst jedoch unser Interesse. Ja, Kenya hat viel mehr zu bieten als die in aller Welt bekannten National Parks und Reserves. Ein Blick auf die Karte bestätigte sofort, dass wir mit unserer Art zu Reisen nur einen Teil des Landes auf einer ersten Tour erkunden können. Doch wo sollten wir beginnen? Der Lake Turkana im Norden Kenyas wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Zurzeit gibt es sicher nur eine Hand voll Safari-Unternehmen in Kenya, die dieses Ziel überhaupt ansteuern. Wer also war bereit, mit uns dieses kleine Abenteuer zu planen?
"Safaritalk" - ein interessantes Forum - lieferte mir den Kontakt zu Zarek Cockar. Zarek führt selbst Private Guided Safaris für "Africa&You" in Kenya durch. Meine Frage zu einer Basic Camping Tour zum Lake Turkana hat wohl auch sein Interesse spontan geweckt. Acht Wochen reger Mailverkehr mit absolut kompetenter Beratung folgten und unsere Tour 2016 stand. Nun hieß es acht lange Monate warten bis zum Start.
Am 01.09.2016 landeten wir mit Lufthansa pünktlich um 20:20 Uhr in Nairobi. Die Einreise verlief mit E-Visa zügig und Zarek begrüßte uns wenig später mit "Welcome to Kenya". Er brachte uns zur Heart Lodge im Norden Nairobis. Die Lodge ist eine preiswertere Alternative zu den Business Hotels und gleichzeitig unterstützt man die Arbeit einer christlich-privaten Organisation, die Müttern mit HIV und ihren Kindern hilft.
Für 08:30 Uhr hatten wir den Start unserer Tour vereinbart. Als wir vom Frühstück kamen, wartete Zarek mit unserem Koch Vincent und dem vollgepackten Land Cruiser samt Trailer bereits auf uns. Taschen einladen und wenig später waren wir auf dem Weg zum Meru National Park. Zarek wählte die westliche Route um den Mt. Kenya, da hier mit wesentlich weniger Verkehr zu rechnen ist. Es soll wohl schöne Plätze mit Blick auf den zweithöchsten Berg Afrikas geben, doch hat sich das ganze Bergmassiv an diesem Tag in dichte Wolken gehüllt - versuchen wir es halt ein andermal. Ein Stopp bei Nakumatt in Meru Town war obligatorisch. Wir benötigten einige Kenyan Shillings, Getränke für den Sundowner fehlten noch und ohne einen angemessenen Vorrat an Zigaretten gibt es keine Safari für uns.
Der Meru National Park mit einer Fläche von 870 km² ist der Kern eines Ökosystems, das zusammen mit Kora, Bisandi, North Kitui und Rahole 5.000 km² Wildnis vereint. Der Meru National Park wurde 1966 gegründet. In dieser Zeit wurde auch die Löwin "Elsa" von Joy & George Adamson im Park ausgewildert. Der Spielfilm "Born Free" erzählt Ihre Geschichte.
Der Park verfügt über eine enorme Vielfalt an Lebensräumen. Im Westen reichen die Nyambene Hügel bis auf fast 1.000 Meter Höhe. Natürliche Quellen speisen dreizehn kleine Flüsse, alle gesäumt von Uferwald. Doum Palms und Zypergräser sind in den Sumpfgebieten zu finden. In den tiefer liegenden Halbwüsten dominiert Acacia-Commiphora-Bushland.
Hartlaubtrappe - Hartlaub's Bustard (Lissotis hartlaubii)
Die letzten Kilometer zum Mureta Gate sind gespickt mit Schlaglöchern. Vom früheren Asphalt auf der Strasse war eigentlich nichts mehr zu sehen. Eine gekonnte Slalomfahrt um die größten Löcher war angesagt. Gegen 16:00 Uhr erreichten wir das Gate. Zarek erledigte die Formalitäten. Die Bawatherongi Public Campsite war unser erstes Sweet Home im Busch auf dieser Reise - für drei Nächte hatten wir sie gebucht. Die Zelte waren schnell errichtet. Vincent war very busy in seiner Küche. Wir lauschten bei einem kühlen Drink den Geräuschen im Busch. Eine neugierige Netzgiraffe - unsere erste in Afrika - und einige Impalas besuchten uns noch. Am Campfire genossen wir die Ruhe - wir waren in Afrika angekommen und zu unser großen Freude, die einzigen Gäste der Campsite. Auch die nahe gelegenen Park-Bandas waren verweist.
Netzgiraffe - Reticulated Giraffe (Giraffa reticulata)
Nach einer erholsamen Nacht schnell eine Tasse Kaffee im Camp - ein neuer Tag erwachte und wir starteten zu unserer ersten Erkundung. Unsere Erwartungshaltung war nicht überdurchschnittlich hoch, denn gute Sichtungen sind im Meru etwas Glückssache. Teils dichter Busch macht es einem nicht immer leicht, Tiere zu finden. Wir wurden jedoch nicht enttäuscht.
Ein fotogener Eli war die Begrüßung. Ellipsen-Wasserböcke und ein einsamer Büffel forderten uns zum Verweilen auf. Die hübschen kleinen Kudus (Lesser Kudu), die sonst meist nur für Sekunden im Busch zu sehen sind, überquerten die Piste vor unserem Auto.
Kleiner Kudu - Lesser Kudu (Ammelaphus imberbis)
Wir waren gerade mal eine Stunde unterwegs, als wir einer kleinen Löwenfamilie am Bwatherongi Stream begegneten. Die Katzen erschraken ein wenig vor unserem Auto. Doch das gab sich schnell wieder, denn etwas später legten Sie sich mitten auf die Piste und blockierten unsere Weiterfahrt.
Mit einem Blick zum Rojewero Hippo Pool beendeten wir unseren ersten Morning Drive.
Sumpfschildkröte - Helmeted Terrapin (Pelomedusa subrufa)
Zurück im Camp überraschte uns Vincent mit einem leckeren Brunch. Am frühen Nachmittag ging es wieder auf Erkundungstour. Eine Herde Elefanten zog gemächlich durch den Busch.
Auch unsere gefiederten Freunde waren an beiden Tagen zahlreich unterwegs, doch fehlte mir noch immer die Geduld, sie alle auf ein Foto zu bekommen. Für die stets herum wuselnden Perlhühner hatte Zarek einen passenden Vergleich zu den Gnus - beide sind oft sehr planlos, rennen ohne einen Grund herum und verschwenden so wertvolle Energie. Warum sie es tun - wir haben keine Erklärung.
Helmperlhuhn - Helmeted Guineafowl (Numida meleagris)
Weißbrauenkuckuck oder Tiputip - White-browed Coucal (Centropus superciliosus)
Weißbürzel-Singhabicht - Eastern Chanting-Goshawk (Melierax poliopterus)
Riesentrappe - Kori Bustard (Ardeotis kori)
Schmuckflughuhn - Black-faced Sandgrouse (Pterocles decoratus)
Beim Überqueren der kleinen Flussläufe hiess es immer aufpassen, denn meist versperrte ein Nilwaran oder ein Hammerkopf die Furt.
Nilwaran - Nile Monitor Lizard (Varanus niloticus) Hammerkopf - Hamerkop (Scopus umbretta)
Ein erlebnisreicher Tag neigte sich dem Ende entgegen. Eine Büffelherde begleitete uns auf dem Weg zur Campsite.
In den 1980er Jahren wurde der Park zu seinem großen Unglück von Wilderer Banden heimgesucht, welche unter anderem die berühmten Nashorn-Bestände Merus völlig aus-rotteten. Heute gibt es innerhalb des Meru National Park ein 44 km² grosses Rhino Sanctuary. Mehr als 40 Breitmaulnashörner und 20 Spitzmaulnashörner haben hier ein sicheres Zuhause gefunden.
Am Morgen des zweiten Tages machten wir uns auf den Weg zum Rhino Sanctuary. Doch unsere kleine Löwenfamilie vom Vortag stoppte zunächst unser Vorhaben. Die Löwen lagen an gleicher Stelle mitten auf der Piste, als hätten sie uns erwartet.
Wir hatten das Gate zum Rhino Sanctuary bereits passiert, doch von den Rhinos fehlte jede Spur. Büffel in schöner Landschaft sind jedoch auch ganz nett. Als kleines Highlight durften wir einen kurzen Blick auf eine Erdwolf-Familie (Aardwolf with cubs) werfen. Alles ging so schnell. Plötzlich tauchte die Mutter mit ihren Jungtieren auf und schon waren sie alle wieder in ihrem Erdloch verschwunden.
Eineinhalb Stunden waren wir nun schon auf der Suche - erfolglos. Doch dann war da plötzlich ein Prachtexemplar von Rhino tief im Busch zu sehen. Wir hofften, dass es in unsere Richtung kommt - leider nein und so blieben uns nur wenige Minuten, es zu beobachten.
Breitmaulnashorn - White Rhinoceros (Ceratotherium simum)
Am Rand des Mururi Swamp entdeckten wir eine Nashornkuh mit Kalb, doch gab es hier keinen Weg, näher heran zu kommen. So blieb nur das Fernglas zum Beobachten.
Mururi Swamp im Rhino Sanctuary
Eine Büffelherde hatte sich auf der anderen Seite im Sumpfgebiet einen Platz zum Grasen ausgesucht, als plötzlich ein ganzer Schwarm Blutschnabelweber aufgeschreckt davon flog.
Blutschnabelweber - Red-billed Quelea (Quelea quelea)
Kirkdikdik - Kirk's Dikdik (Madoqua kirkii)
Die Zeit im Busch verging wie im Flug. Wir waren spät dran - Mittagspause. Wie schon am Vormittag begegnete uns auch am Nachmittag kein weiteres Fahrzeug im Park. Wir hatten die Wildnis für uns allein.
Ist man auf Reisen, lernt man immer etwas Neues - Grant-Gazelle ist nicht gleich Grant-Gazelle.
Molekulargenetische Untersuchungen ergaben innerhalb der Grant-Gazellen drei monophyletische Linien, wobei wenigstens zwei dieser Linien keinerlei Vermischung untereinander aufzeigen. Aus diesem Grund wurde während einer Revision der Hornträger im Jahr 2011 die Gruppe in drei Arten aufgespalten:
Im Meru National Park soll nach dieser Definition die Nördliche Grant-Gazelle - Bright's Gazelle leben. Für den Laien ist diese Unterscheidung schwer vorzunehmen. Die äußeren Unterscheidungsmerkmale - Stellung der Hörner und Fellzeichnung in den Flanken - variieren bei den Tieren zu stark.
Nördliche Grant-Gazelle - Bright's Gazelle (Nanga (granti) notatus)
Auch beim Strauß beginnt im Meru das Verbreitungsgebiet des Somali Strauß. Die männlichen Vögel kann man an ihrem blau-grauen Hals und den blau-grauen Beinen gut erkennen. Bei den Weibchen ist es weit schwieriger. Sie sind meist dunkler braun als der Afrikanische Strauss und die Augenfarbe ist stets blau-grau. Da wir nur weibliche Vögel gesehen haben, wollen wir uns hier lieber nicht festlegen.
Ein Blick nach Südwesten von knapp unterhalb der alten Meru Mulika Lodge
Zwei Tage sind wie im Flug vergangen. In der Nacht hatten wir Löwen und Hyänen ganz nah bei unserer Campsite gehört. Ein kurzer Morgen-Drive war unser Abschluss im Meru - wir konnten weder Löwen noch Hyänen finden. Dafür gab es einen kurzen Blick auf einen Honigdachs. Er wird auch "Ratel" genannt - wieder etwas gelernt.
Oft sieht man kleine Erdhügel oder kreisrunde Löcher auf sandigen Pisten. Wer jedoch die Baumeister sind, bleibt meistens im Verborgenen - nicht so an unserem letzten Morgen im Meru. Aus einem dieser kleinen Löcher kamen Staubwolken heraus. Stopp, da muss jemand zuhause sein. Ein bizarres kleines Wesen war zu sehen - ein Nacktmull, der emsig seine unterirdische Wohnung renovierte. Nacktmulle leben in Kolonien von 20 bis 300 Tieren. Die Organisation dieser Kolonien weist einige Besonderheiten auf, die sonst eher bei Insekten beobachtet werden. Charakteristisch ist eine hochspezialisierte Arbeitsteilung, gebunden an das Lebensalter des einzelnen Individuums.
Nacktmull - Naked Mole Rat
(Heterocephalus glaber)
© Zarek Cocker
Vincent hatte das Frühstück fertig und das Meiste war schon gepackt, als wir zur Campsite zurück kehrten.
Unser kleines Fazit: Der Meru National Park ist immer eine Reise wert. Es ist sehr schade, dass er bei den meisten Kenya Reisenden keine Beachtung findet. Uns hat es natürlich gefreut, dass wir meist allein unterwegs waren. Landschaftlich ist der Park ein Traum und er bietet fast alles, was man an Afrikas Tierwelt sucht. Um alles zu erkunden, bräuchte man sicher noch einen weiteren Tag. Wir haben leider nur einen Teil des Parks gesehen.
Reisen Sie mit uns weiter durch den Norden Kenyas
und begleiten Sie uns auch in den Mara Triangle. Es lohnt sich.