"Äthiopiens Danakil Depression ist einer der heißesten, trockensten und niedrigsten Orte auf unserem Planet Erde. Die Danakil Depression ist ein Anwärter auf den heißesten Ort der Erde, zumindest wenn man die durchschnittliche Temperatur des Jahres (angeblich 34,4° C) ermittelt. Schlimmer noch, das Gebiet erhält nur 100 bis 200 mm Niederschlag pro Jahr und es ist auch einer der niedrigsten Orte auf dem Planeten, in einer Höhe von 125 Metern unter dem Meeresspiegel. Zusammengenommen machen diese Faktoren es zu einer der unwirtlichsten Umgebungen der Welt. Wenn das Klima nicht genug ist, macht die energetische Geologie der Region sein Aussehen zu einem fremden Land wie auf einem anderen Planeten. Ein Vulkan mit sprudelndem Lavasee, vielfarbige hydrothermale Felder und große Salinen, die die Augen blenden. Die Danakil Depression ist der nördliche Teil des Afar Dreiecks, eine geologische Depression, die durch den Afar Triple Junction verursacht wurde: ein Ort, an dem drei tektonische Platten aufeinander treffen."
Vivien Cumming, Earth Scientist, aus einem BBC Artikel.
Natürlich hatten wir uns im Vorfeld auch die BBC Dokumentation "Hottest place on Earth" angeschaut. Dafür war ein 25 köpfiges Team von renommierten Wissenschaftlern und internationalen Experten 38 Tage lang am Stück in der Danakil. Firew hatte 2009 die Arbeiten vor Ort organisiert.
Eine Reise in den Norden Äthiopiens ohne einen Besuch der Danakil konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. So starteten wir gut vorbereitet in unser kleines Abenteuer Danakil.
Auf dem Weg von Mekelle nach Abala
Auf einer neuen, bestens ausgebauten Asphaltstrasse ging es die ersten tausend Höhenmeter hinunter nach Abala. Die Landschaft wurde trockener und die Vegetation änderte sich gewaltig.
Lunchtime in Abala - unser Begleitfahrzeug füllte sich, denn ab hier stieg unser lokaler Afar-Guide Mohamed und ein Polizist als Security zu - ein Muss für Besuche in der Danakil.
Weitere 1.000 Meter tiefer wechseln sich Sandflächen mit Lavafeldern ab. Es war kuschelig warm, heiss ist wohl der bessere Ausdruck. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel.
Afdera gleicht einem Wildwest-Städtchen irgendwo im Nirgendwo. Hier leben die Besitzer und die Arbeiter der Salzgärten von Afdera. Unser erster Weg führte uns in die örtliche Kneipe, denn da gab es kaltes Bier. Wer in die Danakil geht, sollte jegliche Ansprüche auf Komfort, Privatsphäre und Hygiene unbedingt zuhause lassen.
Kasaye Hotel in Afdera
Als wir am Morgen aufwachten, standen da mindestens 30 Betten in Reih und Glied. Die eigentlichen Hotelzimmer sind winzige Wellblechhütten. Darin hält es aber keiner aus vor Hitze.
Lake Afdera
Wir fuhren zum Lake Afdera. Viele Einheimische nutzten den See für ein morgendliches Bad. Herbert und Firew stürzten sich mit Ihnen in die Fluten und auch ich konnte mich nicht beherrschen, als es etwas ruhiger wurde. Das Wasser hat einen Salzgehalt ähnlich dem Toten Meer. Man treibt ohne was zu tun an der Oberfläche. Neben dem See gibt es eine heiße Quelle mit Frischwasser, wo man sich das Salz unbedingt von der Haut abspülen sollte - ein Hochgenuss.
Salzgewinnung am Lake Afdera
Wir schauten uns die Salzgewinnung am Lake Afdera an. In die Salzgärten, dies sind künstlich angelegte flache Sammelbecken, wird Wasser aus dem Lake Afdera gepumpt. Die Sonne und der feuchtigkeitsaufnehmende Wind sorgen für die Verdunstung des Wassers. Die Salzkonzentration steigt in der verbleibenden Salzlake enorm an. Nach ausreichender Wasserverdunstung bleibt dann nur noch das Salz übrig, welches auskristallisiert. Es bilden sich Salzschichten, die dann zusammen gekratzt und in Säcke zum Abtransport abgefüllt werden.
Unser Koch wartete schon mit dem Frühstück. Anschliessend machten wir uns auf den Weg in Richtung Erte Ale.
Afar Grabstätte
In Kusrawad meldeten wir uns für den Besuch des Erte Ale an. Mohamed organisierte unsere Kamele und die Kamelführer, während wir unseren Lunch serviert bekamen. Die letzten 20 Kilometer bis zum Basislager hatten es in sich. Glich der bisherige Weg einer staubigen, ebenen Rennstrecke, ging es nun eineinhalb Stunden im Schleichgang über ruppiges Lavagestein.
Das Basislager in Dodom besteht aus einigen Schutzhütten, gebaut aus Lavabrocken. So gab es wenigstens ein schattiges Plätzchen in der Gluthitze. Der Höhenunterschied von hier zum Kraterrand des Erte Ale beträgt zwar nur gut 600 Meter, doch das Basislager ist 17 Kilometer vom Kraterrand entfernt. 18:30 Uhr machten wir uns startklar zum Aufstieg. Wir, das waren neben mir, Firew, Mohamed, unser Polizist und zwei Kamele - eins für den Transport von Wasser, das zweite für mich - mit ihren jungen Kamelführern. Herbert wollte nicht mit. Einige Soldaten waren schon eine halbe Stunde vor uns aufgebrochen.
Ein Kamelritt zum Erte Ale ist kein Vergnügen. Die Afar benutzen ihre Kamele ausschließlich als Lasttiere, weshalb es keine Reitsattel gibt. Es wird einfach improvisiert - der Lastensattel, bestehend aus zusammengebundenen Holzstangen, wird so gut als möglich mit den Schlafmatten gepolstert. Ok, das wusste ich schon im Vorfeld, doch es in der Realität zu spüren, war dann doch etwas anderes. Wir waren nicht im Gruppenzwang unterwegs. Gemächlich schaukelte ich auf meinem Kamel durch die Nacht. Wann immer ich nicht mehr sitzen konnte, stoppten wir halt. 22:00 Uhr hatten wir den Kraterrand erreicht.
Die Besonderheit des Erta Ale besteht nicht darin, dass er sich als flacher, überwiegend aus basaltischer Lava bestehender Schildvulkan vom Grund eines ehemaligen Meeres erhebt, sondern dass in einem Pit-Krater in seiner Caldera permanent ein Lavasee köchelt. In unregelmäßigen Abständen zerreißen kleine Lavafontänen die dünne Kruste aus erstarrter grauer Lava und ziehen für wenige Minuten feurige Spuren über den See. Unter der dünnen Lavahaut tobt ein brodelndes Inferno. Die oberflächlich erstarrte Lava zerbricht in dünne Platten, die über den See treiben. Die Bruchstellen glühen rot von nachquellender Lava.
Bereits im Herbst 2016 zeichnete sich ab, dass sich am Erta Ale größere Veränderungen anbahnten. Der Lavasee stand extrem hoch. Im Januar 2017 flutete die Lava Teile der Caldera. Anschließend öffnete sich außerhalb der Caldera eine Eruptionsspalte. Diese befand sich in einer südlich gelegenen zweiten Caldera. Große Lavaströme wurden generiert. Sie flossen in östlicher und westlicher Richtung über die Vulkanflanke. Durch die Verlagerung der Eruption fiel der Spiegel des Lavasees auf gut 100 Meter ab.
Der Lavasee im aktiven Vulkan Erta Ale, einer von nur sechs Lavaseen auf der Erde, am 28. September 2017
Willkommen am Eingang zur Hölle. So könnte man diesen faszinierenden Ort auch bezeichnen. Durch die Absenkung des Lavasees seit Januar 2017 sind nun nur noch Teile von ihm zu sehen. Doch das tut keinen Abbruch am Erlebnis. Eine gute Stunden lang hatten wir dieses Naturschauspiel für uns ganz allein. Nach vier Stunden Schlaf am Kraterrand packten wir zusammen und machten uns auf den Rückweg nach Dodom.
Blick zurück zum Erte Ale in die Dunkelheit der Nacht
Kurz nach 07:00 Uhr waren wir zurück - eine Erleichterung für mein stark beanspruchtes Hinterteil. Doch den gesamten Weg hin und zurück laufen, das hätte ich nie geschafft. Ich bedankte mich ganz besonders bei meinem jungen Kamelführer. Mit seinen erst 14 Jahren hatte er mein Kamel den ganzen Weg so einfühlsam geführt und stets darauf geachtet, dass mir ja nichts passiert - ein fantastischer Job.
Nach dem Frühstück gönnte ich mir noch eine schnelle Buschdusche hinter einer der Hütten mit etwas Wasser aus unserer Küche. Dann machten wir uns auf den Weg. Zuerst ging es zurück nach Abala, wo wir Mohamed und unseren Polizisten verabschiedeten.
Auf dem Weg von Abala über Wesama und Berahile nach Hamed Ela
Hamed Ela ist eine kleine Ansiedlung der Afar. Hütten rechts und links der Straße, ein Polizeiposten und ein Militärstützpunkt in staubigem Umland. Ali, Firews Freund und lokaler Guide der Afar in Hamed Ela begrüßte uns. Ähnlich wie in Afdera gibt es ein Arar-Bett unter freiem Himmel. Die rechte Seite der Straße, wo wir unser Quartier für die nächsten zwei Nächte aufschlagen durften, hatte eine Toilette und eine Eimerdusche, die extra bezahlt werden mussten. Die linke Seite, wo die meisten Gruppentouren landen, hat nichts - sicher eine Katastrophe besonders für Frauen.
Kamel Karawane auf dem Weg zu den Salzminen
Auf dem Weg nach Dallol
Ali erzählt uns, dass dieses Wasserloch vor drei Monaten wie aus dem Nichts heraus entstanden ist. Plötzlich war es da. Das gesamte Gebiet ist in ständiger Veränderung - unbegreiflich für uns Aussenstehende.
Die Salzkristalle schaffen außergewöhnliche Skulpturen unterschiedlicher Formen und Größen.
Die hydrothermalen Felder des Dallol-Vulkans - eine spektakuläre, vielfarbige Szene aus Salzvorkommen, heißen Quellen und Miniatur-Geysiren - das kann eigentlich alles nicht auf unserem Planeten Erde sein, so unsere ersten Gedanken. Wir waren von den Bildern, den Farben, den Formen und den Gerüchen total gefesselt.
Die vielen Farben werden durch Schwefel- und Kaliumsalze verursacht.
Diese heiße salzhaltige Umgebung scheint ein idealer Ort zu sein, um "extremophile" Mikroben zu untersuchen. Die heißen Quellen in der Danakil Depression beherbergen solche Mikroorganismen, die unter extremen Bedingungen leben können. Vielleicht findet man durch sie einmal die Erklärung, wie außerirdisches Leben entstehen kann.
Ein Hubschrauber von Tropic Air Kenya stand am Rand von Dallol. 07:30 Uhr war der Heli gelanded. Nach langen Verhandlungen und unzähligen Telefonaten gab es erst um 12:00 Uhr die Starterlaubnis, wie wir später erfuhren. Sicher äußerst unangenehm für die zahlenden Gäste der Flugsafari, in der brütenden Hitze so lange ausharren zu müssen. Wo das Versäumnis lag, wir wissen es nicht, doch konnte der Pilot keine Kopie der Genehmigung für diesen Flug vorweisen. Pech gehabt.
Gestrandet: Flugsafarigäste von Tropic Air Kenya
Die skurrilen Bergformationen von Dallol sind nur wenige hundert Meter von den bunten Seen entfernt. Aus Salz und Kalk wie von Geisterhand wurden sie als Fotomotiv durch Erosion erschaffen.
Ein See aus kochendem Schwefel war unsere nächste Station in der Region Dallol. Es brodelte und blubberte. Die Sonne brannte dazu ohne Erbarmen vom Himmel.
Seit 07:00 Uhr waren wir unterwegs. Nun war es bereits 11:00 Uhr. Einen ausgiebigen Stopp bei den Minenarbeitern in den Salzminen hatten wir jedoch noch vor uns. Wie viel Wasser wir in den vier Stunden bereits getrunken hatten, wissen wir nicht genau. Wichtig ist, dass man dem Körper über den Tag verteilt, Mineralien zusätzlich zur Nahrung zuführt. Dehydrierung und Mineralstoffmangel sind die beiden Probleme, die unter diesen extremen Klimabedingungen zum ernsthaften Problem für Touristen werden können.
Salzabbau wie zu Urzeiten
Im Lauf der Erdgeschichte ist die Danakil immer wieder vom salzhaltigen Wasser des Roten Meeres überflutet worden, zuletzt vor 10.000 Jahren. Das Wasser verdunstete und hinterließ eine mehrere Hundert Meter dicke Salzschicht. Sie scheint aus Millionen und Abermillionen winziger Kristalle zu bestehen, die in der Sonne funkeln.
Mit einer Axt werden Spalten in die Salzkruste gehackt
Angespitzte Stämme dienen als Hebel, um Platten von mehreren Metern Länge herauszubrechen
Firew (ganz links im Bild) versucht sich in der schweren Arbeit der Afar
Sind die Platten gelöst, werden sie mit Äxten in 50 cm lange und 25 cm breite Tafeln von etwa zwölf Kilo Gewicht zerschlagen. Zuletzt wird der Schlicküberzug entfernt und die Oberflächen geglättet.
Nun beginnt die wichtigste Arbeit der Karawanenführer, die gleichmäßige Verteilung der Salzplatten, damit die Tiere gut marschieren können.
Jedes Kamel trägt im Schnitt 20 Platten. Decken dienen als Polster gegen die scharfkantige Ladung. Matten schützen die Ladung vor der ausdörrenden Sonne beim Transport.
Nach einer knappen Stunde beendeten wir unseren Besuch in den Salzminen. Wir mussten aus der Sonne raus. Was diese Männer hier tagtäglich von morgens bis abends leisten, ist unvorstellbar. Jeder hat seine spezielle Aufgabe. Es wird in Gruppen im Akkord gearbeitet, bei bis zu 50° Celsius im Schatten, doch davon hat es hier keinen. Die Afar machen diese Arbeiten unverändert schon seit mehr als 1.000 Jahren, da Salz aus der Danakil als Handels- oder Tauschmittel während des axumitischen Reiches bereits erwähnt wurde.
In Hamed Ela zurück, gönnten wir uns eine Dusche. Nach dem Lunch gab es kaltes Bier in der Kantine des Armeestützpunktes.
17:00 Uhr waren wir erneut unterwegs. Am Abend starteten die Kamelkarawanen, die Salzblöcke von den Minen nach Berahle abzutransportieren - ein Anblick, den auch hoffentlich unsere Kinder und Enkelkinder noch erleben dürfen.
Weisses Salz und Wasser, soweit das Auge reicht - das war unser Abschied von der Danakil. Barfuss spürten wir die stachelnden Salzkristalle unter unseren Füßen, als wir der untergehenden Sonne zuschauten. Eine anstrengende und aufregende Zeit, die wir um keinen Preis missen möchten, ging zu Ende. Eine Erfahrung unter extremsten Bedingungen, außergewöhnlich und mit überaus beeindruckenden, wunderschönen Naturphänomenen.
Am nächsten Morgen ging es zurück nach Mekelle. Am Nachmittag schauten wir uns den Palast von Yohannes IV., Fürst von Tigray und von 1872 bis 1889 Kaiser von Äthiopien, an. Zum Abschiedsdinner mit unserem Fahrer Gabriel besuchten wir ein traditionelles Restaurant. Eigentlich wollten wir kein Injera mehr essen, aber was tut man nicht alles als Dankeschön.
Palast und Museum von Yohannes IV. in Mekelle
Wir flogen mit Firew von Mekelle nach Addis. Lunch in seiner Lieblingspizzeria, einen Kaffee auf dem Weg durch die Stadt folgte, bevor wir das National Museum of Ethiopia besuchten. Äthiopien ohne Lucy, das geht gar nicht. "Lucy" ist das 1974 im Afar-Dreieck entdeckte Teilskelett eines weiblichen Individuums der Art Australopithecus afarensis. Es wird auf ein Alter von 3,2 Millionen Jahren datiert. Doch gab es im Museum noch weit mehr Interessantes zu sehen. Die letzten Stunden vor unserem Abflug waren wir bei Firew und seiner Familie zu Hause. Nach einem herzlichen Abschied am Flughafen brachte uns Ethiopian Airlines zurück nach Frankfurt.
*** ENDE ***
Unser besonderer Dank gilt
Firew Ayele
unserem Private Guide und Eigentümer von Across Abyssinia. Er hat uns einen Teil von seinem Äthiopien in allen Facetten gezeigt. Sein Interesse und sein Wissen zu Kultur, Natur und Geschichte seiner Heimat teilte er mit Freude und viel Humor mit uns. Auch in Äthiopien wird es für uns eine Fortsetzung geben, denn der Süden und Westen des Landes bietet ebenfalls ein breites Spektrum an Kultur und Natur.
Gabriel
unserem rücksichtsvollen Fahrer, der uns all die Berge sicher hinauf und wieder herunter gebracht hat und geduldig auf unser Auto aufpasste, wenn wir stundenlang unterwegs waren.
Allen Äthiopiern, die uns ein wenig Einblick in ihren Alltag gewährt hatte.
Christa & Herbert Müller